Advance Care Planning (ACP)

Das Forschungsvorhaben stellt sich in den internationalen Diskurs zum Thema Advance Care Planning (ACP).

Zielsetzung & Definition

Grundsätzlich zielen Konzepte von ACP darauf ab, die Entscheidungsbildung einer einzelnen Person hinsichtlich ihrer gesundheitsbezogenen Vorausplanung (u.a. in der letzten Lebensphase) durch einen dialogischen und sich über eine längere Zeit erstreckenden Gesprächsprozess zu ermöglichen.

Durch die Konsensus-Definition der European Association for Palliative Care wird ACP definiert als:

„…the ability to enable individuals to define goals and preferences for future medical treatment and care, to discuss these goals and preferences with family and health-care providers, and to record and review these preferences if appropriate. Recommendations included the adaptation of ACP based on the readiness of the individual; targeting ACP content as the individual’s health condition worsens; and, using trained non-physician facilitators to support the ACP process.“ (Rietjens et al., 2017).

Demnach sind zentrale Zielaspekte von ACP Personen zu befähigen ihre Wünsche und Bedürfnisse zu definieren, zu formulieren, zu diskutieren und ggf. zu dokumentieren sowie bedarfsbezogen zu überprüfen. Zu beachten sind Individualitätsbezüge und die grundsätzliche wie auch aktuelle Bereitschaft dieser Personen an dem Gesprächsprozess zu antizipieren.

ACP in der Praxis

In der Praxis sind durchaus unterschiedliche ACP-Konzeptionen und Maßnahmen anzutreffen. Je nach Konzept und Ausrichtung werden dabei vertraute Personen aus dem sozialen Umfeld und dem Versorgungskontext der Betroffenen in den Gesprächsprozess einbezogen (Hickman et al., 2019; Batchelor et al., 2019).

In Deutschland hat ACP erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Inzwischen bestehen über die gesetzlichen Krankenkassen (§ 132g SGB V) finanzielle Anreize, solche Gesprächsprozesse für die letzte Lebensphase zu initiieren.

Vorteile von ACP

In der internationalen Studienlage lassen sich sowohl strukturelle als auch personenbezogene Vorteile, die für den Einsatz von ACP-Konzeptionen sprechen, finden. ACP kann:
  • Einen bedeutenden Baustein für eine klientenzentrierte und präferenzbasierte Versorgung darstellen.
  • Es professionellen Akteuren ermöglichen ein als gelingend empfundenes Versorgungsgeschehen zu erfahren und Handlungssicherheit vermitteln (Stewart et al., 2011)
  • Die Kompetenz von professionellen Akteuren bei der Nutzung von Vorausplanungsdokumentationen steigern und institutionalisierte Handlungsroutinen reflektieren (Cornally et al., 2015; Flo et al., 2016).
  • Verständigungsprozesse zwischen Bewohner*innen und deren Angehörigen und Nahestehenden sowie professionellen Akteuren fördern und gleichzeitig die Entscheidungslast bei Angehörigen und Nahestehenden reduzieren sowie Familienkonflikt vermeiden (Lovell & Yates, 2014).
  • Als eine hilfreiche Vorbereitung auf das eigene Sterben und als wichtige Strategie zur Vermeidung von moralischem Stress, primär bei Angehörigen und nahestehenden Personen dienen (Bollig et al., 2016).
  • Sich positiv auf die Lebensqualität von Bewohner*innen auswirken (Brinkman-Stoppelenburg et al. 2014).
  • Krankenhauseinweisungen reduzieren und dazu beitragen, dass der Sterbeort dem Wunsch der Bewohnerin bzw. des Bewohners häufiger entspricht (Klingler et al., 2016; Curtis et al., 2012; Nguyen et al., 2017; O´Sullivan et al., 2016).
  • Die Themen „Tod und Sterben“ in den Einrichtungen enttabuisieren (Flo et al. 2016).

Begrenzungen

Zentrale Barrieren und Hemmnisfaktoren für die Implementierung, Umsetzung und Inanspruchnahme von ACP im Kontext stationärer Pflegeeinrichtungen sind gemäß der internationalen Literatur u.a.:

  • Das Vorliegen kognitiver Einschränkungen bei betroffenen Personen.
  • Unterschiedliche kulturelle Überzeugungen und Wertvorstellungen zwischen allen beteiligten Personengruppen zu Sterben und Tod, insbesondere deren nicht-Thematisierung (Flo et al. 2016).
  • Unklarheiten hinsichtlich der Rollen und Verantwortungen im Gesprächsprozess (Stewart et al., 2011) und hinsichtlich des richtigen Zeitpunktes der Aufnahme von Gesprächsprozessen (Bollig et al., 2016).
  • Knappe Ressourcen innerhalb der Einrichtungen (Henking et al., 2019).

Forschungsimplikationen

Angesichts des auch in der deutschen Rechtsordnung stark verankerten Selbstbestimmungsrechts sowie dem jüngst noch einmal zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen zur Stärkung der Vorausplanung und der Vorausverfügung (§132g SGB V – Gesundheitliche Vorausplanung sowie § 1901a BGB – Hinweis auf Patientenverfügung), sind Möglichkeitsbedingungen und Hemmnisfaktoren einer Einführung und Umsetzung von ACP zu identifizieren, um schließlich diesem Selbstbestimmungsrecht in der Versorgungspraxis gerecht werden zu können.

Darüber hinaus bedarf es im nationalen Kontext vor allem der Erweiterung der Studienlage um experimentelle (Wirksamkeits-)Studien zu Konzepten von ACP. Dabei sind v.a. auch Outcomes/Wirksamkeitskriterien zu entwickeln, die Erwartungen und Bedürfnisse von Betroffenen sowie deren Angehörigen und nahestehenden Personen stärker berücksichtigen und sich an den definitorischen Zielsetzungen von ACP orientieren. Daneben ist auch ein konstruktiv-kritischer Diskurs zur Frage erforderlich, welche Probleme und Schwierigkeiten ACP aufwirft.

Literatur

  • Batchelor, F.; Hwang, K.; Haralambous, B.; Fearn, M.; Mackell, P.; Nolte, L.; Detering, K. (2019): Facilitators and barriers to advance care planning implementation in Australian aged care settings: A systematic review and thematic analysis. Australas J Ageing, DOI: 10.1111/ajag.12639.
  • Bollig, G.; Gjengedal, E.; Rosland, J. (2016): They know! – Do they? A qualitative study of residents and relatives views on advance care planning, end-of-life care, and decision- making in nursing homes. Palliative Medicine 30 (5), 456-470.
  • Brinkman-Stoppelenburg, A.; Rietjens, J.; van der Heide, A. (2014): The effects of advance care planning on end-of-life care: a systematic review. Palliative Medicine 28 (8), 1000-1025.
  • Cornally, N.; McGlade, C.; Weathers, E.; Daly, E.; Fitzgerald, C.; O´Caoimh, R.; Coffey, A.; Willam Molloy, D. (2015): Evaluating the systematic implementation of the ‘Let Me Decide’ advance care planning programme in long term care through focus groups: staff perspectives. BMC Palliative Care 14, 55.
  • Curtis, J.; Engelberg, R.; Bensink, M.; Ramsey, S. (2012): End-of-life care in de intensive care unit: can we simultaneously increase quality and reduce costs? American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 186 (7), 587-592.
  • Flo, E.; Husebo, B. S.; Bruusgaard, P.; Gjerberg, E.; Thoresen, L.; Lillemoen, L.; Pedersen, R. (2016): A review of the implementation and research strategies of advance care planning in nursing homes. BMC Geriatrics 16, 103.
  • Henking, T.; Best, L.; Heizmann, E.; van Oorschot, B.; Neuderth, S. (2019: „To talk about it, that´s a problem …“. Analysis of needs concerning advance planning with regard to End-of-Life Decision Making. (Postervortrag, 15.03.19). Rotterdam: 7th International ACP-Conference.
  • Hickman, S.; Unroe, K.; Ersek, M.; Stump, T.; Tu, W.; Ott, M.: Sachs, G. (2019): Systematic Advance Care Planning and Potentially Avoidable Hospitalizations of Nursing Facility Residents. J Am Geriatr Soc, DOI: 10.1111/jgs.15927.
  • Klingler, C.; in der Schmitten, J.; Marckmann, G. (2016): Does facilitated Advance Care Planning reduce the cost of care near the end of life? Systematic review and ethical considerations. Palliative Medicine 30 (5), 423-433.
  • Lovell, A.; Yates, P. (2014): Advance care planning in palliative care: a systematic literature review of the contextual factors influencing its uptake 2008–2012. Palliative Medicine 28 (8), 1026–1035.
  • Nguyen, K.; Sellars, M.; Agar, M.; Kurrle, S.; Kelly, A.; Comans, T. (2017): An economic model of advance care planning in Australia: a cost-effective way to respect patient choice. BMC Health Services Research 17, 797.
  • O´Sullivan, R.; Murphy, A.; O´Caoimh, R.; Cornally, N.; Svendrovski, A.; Daly, B.; Fizgerald, C.; Twomey, C.; McGlade, C.; Molloy, D. (2016): Economic (gross cost) analysis of systematically implementing a programme of advance care planning in three Irish nursing homes. BMC Research Notes 9, 237.
  • Rietjens, J.; Sudore, R.; Connolly, M.; van Delden, J.; Drickamer, M.; Droger, M.; van der Heide, A.; Heyland, D.; Houttekier, D.; Janssen, D.; Orsi, L.; Payne, S.; Seymour, J.; Jox, R.; Korfage, I. (2017): Definition and recommendations for advance care planning: an international consensus supported by the European Association for Palliative Care. Lancet Oncology, 18 (9), 543-551.
  • Stewart, F.; Goddard, C.; Schiff, R.; Hall S. (2011): Advanced care planning in care homes for older people: a qualitative study of the views of care staff and families. Age Ageing 40 (3), 330–355.